Was wird aus den deutschen Rentnern: Was die Reform bewirkt

Die Alterung der Bevölkerung in der EU und der damit verbundene Druck auf die Rentensysteme haben viele Länder dazu veranlasst, Reformen in Betracht zu ziehen. Die Niederlande haben umfangreiche Reformen in Angriff genommen, Frankreich hat umfassende Reformen beschlossen, die bis 2023 umgesetzt werden sollen, und die deutsche Regierung arbeitet an einem Reformpaket, wurde aber bisher aufgrund von Haushaltszwängen zurückgehalten.

Rentensystem in Deutschland

Das öffentliche Rentensystem in Deutschland ist wie in vielen anderen europäischen Ländern umlagefinanziert: Die von den Erwerbstätigen gezahlten Beiträge werden zur Deckung des Einkommens der Rentner verwendet. Das deutsche Rentensystem ist besonders umfangreich, hat aber mit Problemen zu kämpfen, die allen Rentensystemen gemein sind. In Deutschland wird das Verhältnis zwischen älteren Menschen (65+) und der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (20-64) von 37,3% im Jahr 2022 auf 49,8% im Jahr 2050 ansteigen, was bedeutet, dass im Jahr 2050 ein Rentner auf zwei Erwerbstätige in Deutschland kommen wird, und das Verhältnis wird danach noch weiter steigen.

Nettorenten

Die Nettorenten (die das Einkommen vor Steuern widerspiegeln) machen derzeit 48% der Durchschnittslöhne in Deutschland aus und werden voraussichtlich bis 2040 schrittweise auf 44,9% sinken. Dies ist auf den in Deutschland durch frühere Reformen eingeführten "Nachhaltigkeitsfaktor" zurückzuführen, der die Höhe der Renten begrenzt, wenn die Zahl der Rentner schneller wächst als die Zahl der Beitragszahler. Durch die Kopplung des Rentenniveaus an die demografische Entwicklung ist der Nachhaltigkeitsfaktor ein wichtiges Element zur Sicherung der finanziellen Stabilität des Rentensystems.

Neues Reformprogramm

Das neue Reformprogramm garantiert jedoch, dass das Rentenniveau bis 2039 bei 48% gehalten wird. Dieses Mindestrentenniveau im Reformprogramm steht im Widerspruch zum Stabilitätsfaktor. Im Gegenteil, die Beiträge werden steigen, was eine Belastung für die Arbeitskräfte und die jüngere Generation darstellt.

Diese Belastung wird jedoch teilweise durch einen neuen Investitionsfonds ausgeglichen, einen öffentlich verwalteten Fonds, in den der Staat 2024 erstmals 12 Mrd. Euro einzahlen wird und der durch öffentliche Schulden finanziert wird. Danach wird der Beitrag der Regierung zu diesem Fonds jährlich um 3% steigen. Bis 2028 plant die Regierung außerdem, weitere 15 Milliarden Euro aus anderen Vermögenswerten in den Fonds zu übertragen, so dass der Fonds Mitte der 2030er Jahre voraussichtlich 200 Milliarden Euro überschreiten wird.

Ab 2036 plant die Regierung, dem Fonds jährlich durchschnittlich 10 Mrd. Euro zuzuführen, um die Rentenkosten zu decken und die steigenden Beitragssätze zu stabilisieren. Der derzeitige Beitragssatz von 18,6% des Bruttolohns wird bis 2045 auf 22,3% für die Fondsmitglieder und 22,7% für die Nichtmitglieder steigen.

Paradigmenwechsel

Im März bezeichnete der deutsche Finanzminister Christian Linder den Investmentfonds als "Paradigmenwechsel". Allerdings wird der Fonds nicht durch Rentenbeiträge, sondern durch Staatsschulden finanziert. Die deutsche Regierung muss garantieren, dass der Fonds ausschließlich für die Altersvorsorge verwendet wird und dass der Fonds keiner politischen Einflussnahme unterliegt. Darüber hinaus müsste der Fonds höhere Beitragszahlungen nur bis zu einem gewissen Grad ausgleichen. Streitigkeiten über diese Fragen behindern die Reform in Deutschland.

Während die Diversifizierung der Einkommensquellen in einem großen Rentensystem mit einer alternden Bevölkerung eine gute Idee ist, ist es klar, dass die von Deutschland vorgeschlagenen Reformen die jüngere Generation treffen werden. Die Last der Reform sollte auf die Generationen verteilt werden, auch wenn dies politisch schwierig ist.

Aktuelle Reform

Die derzeitige Reform ist weit davon entfernt, eine umfassende Steuerreform zu sein. Sie schafft ein außerbilanzielles Element, das in die Staatsverschuldung investiert. Stattdessen sollte die Regierung andere Maßnahmen in Erwägung ziehen, wie z. B. die Ausweitung der obligatorischen Rentenversicherung auf alle Selbstständigen, von denen die meisten derzeit nicht verpflichtet sind, einer Rentenversicherung beizutreten.

Das deutsche Rentensystem könnte auch von einer Erhöhung der Arbeitsrenten profitieren. Die Einführung echter Renten würde es den Haushalten ermöglichen, von den potenziellen Risiken und Renditen der Finanzmärkte zu profitieren und gleichzeitig die Abhängigkeit vom öffentlichen Haushalt zu verringern, wenn auch zunächst nur in geringen Beträgen. Dies gilt auch für andere europäische Systeme, die sich stark auf umlagefinanzierte Renten stützen.

Bargeld und Einlagen

In Deutschland bestehen 42 Prozent des Vermögens der privaten Haushalte aus Bargeld und Einlagen, deutlich mehr als in Frankreich, den Niederlanden und den USA. Langfristig muss das BIP hoch genug sein, um den Bedarf der Rentner und Arbeitnehmer zu decken. Hohe Renten mobilisieren Ersparnisse, finanzieren reale Investitionen und unterstützen letztlich das langfristige Wachstum, um diesen künftigen Bedarf zu decken. Leider ist es unwahrscheinlich, dass die derzeitigen Reformen in Deutschland zur Einführung von kapitalgedeckten Renten führen werden.

David Pincus: Ein Forscher, der sich um eine alternde Bevölkerung kümmert

David Pincus kam im Mai 2023 als Research Fellow zu Bruegel. Er ist ein angewandter Wirtschaftswissenschaftler, der sich für Sozialpolitik und die Überschneidung von Finanzmärkten und Realwirtschaft interessiert.

Seine Forschung konzentriert sich auf die Herausforderungen, denen sich die Systeme der sozialen Sicherheit im Zusammenhang mit der Bevölkerungsalterung gegenübersehen. Er interessiert sich auch für die breiteren wirtschaftlichen Auswirkungen von kapitalgedeckten Pensionsplänen und institutionellen Anlegern. Von 2014 bis 2016 war er als Berater für das OECD-Programm "Long-Term Investment Initiative" (LTI) tätig, wo er im Auftrag der G20 die Politik der Infrastrukturfinanzierung durch institutionelle Anleger untersuchte.

Er hat an der Copenhagen Business School in Wirtschaftswissenschaften promoviert und arbeitet derzeit am Centre for Pension Research (PeRCent) an der Universität Kopenhagen. Außerdem hat er einen Master-Abschluss in Wirtschaftswissenschaften von der Bocconi Universität in Mailand und einen Bachelor-Abschluss in Wirtschaftswissenschaften von der Ludwig-Maximilians-Universität in München.

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